Ziegeleivilla Holnis
Ein Wochenende in der Ziegeleivilla offenbart Erstaunliches. Punktet die Villa auf der einen Seite mit ihrer phänomenalen Lage am Noor, ist auf der anderen Seite die Geschichte des Hauses ein wahrer Beweis dafür, dass kleine Dinge manchmal einen großen Zauber mit sich bringen. Anja und Peter Kay sind seit 2012 Eigentümer der Ziegeleivilla und kümmern sich leidenschaftlich um das Haus, das bereits in den 70er Jahren kurz vor dem Abriss stand. Das Projekt Ziegeleivilla ist für beide eine Herzensangelegenheit und eine Frage von gekonnter Arbeitsteilung: Während Peter Kay sich mit einem geschulten Auge um viele anfallende handwerkliche Arbeiten am Haus kümmert, setzt Anja der Villa ihren äußerst stilvollen und charmanten Stempel auf. Herausgekommen sind nach jahrelanger Renovierung vier Ferienwohnungen, eine Mietwohnung und ihr eigenes kleines Eigenheim am Meer.
„Eigentlich waren wir auf der Suche nach einem Reetdachhaus am Meer“, schmunzelt Anja freudig, während wir gemeinsam im Garten sitzen. Dort herrscht im Juli ein buntes Treiben. Der kleine Parkplatz mit den verschiedenen Nummernschildern an den Autos verrät, wer gerne in Glücksburg Urlaub macht. Unter uns wohnen Schweizer, über uns wohnt eine Hamburger Familie, die uns für Fotos in ihre kleine Urlaubsoase einlädt. „Dieses Haus ist ein Traum“, schwärmt der Hamburger und erzählt mir, dass er in der Hansestadt eine Werbeagentur leitet, während über uns das eine oder andere Foto mit Ausblick geschossen wird. Unter dem Dach kann man mühelos vom Bett aus über das gesamte Noor und die Förde blicken. Anja und Peter Kay haben sich ausgiebig mit der Geschichte der alten Ziegelei auseinander gesetzt und haben viel zu erzählen.
Wir treffen uns immer mal wieder im Garten, der mit seinen vielen kleinen Sitzecken und einer schönen Baumschaukel zum Verweilen und „Schnacken“ einlädt. Eigentlich wollten wir an jenem Vormittag im Garten unter den Bäumen Yoga machen, aber dazu kamen wir nicht. Kaum zu glauben, aber wahr: Selbst uns als Glücksburger schafft es Anja wie gekonnt das Gefühl von Urlaub zu vermitteln. Die Schlossallee ist eben auch nicht Holnis, denn Holnis versprüht seinen ganz eigenen Charme. In der Ferienwohnung verrät ein Blick auf die Pinnwand mit den vertrauten Logos der örtlichen Restaurants, dass wir in Glücksburg sind. Tatsächlich kann in diesem Fall ein Kurzurlaub fünf Kilometer vom Eigenheim entfernt auch praktisch sein: Für das vergessene individuelle Kopfkissen fährt man dann auch eben kurz mal nach Hause. Durch die lange Corona-Reisepause fehlt doch jedem ein bisschen die Routine.
Ansonsten sind die Ferienwohnungen reichlich gefüllt mit Add-ons, die dem Aufenthalt den gewissen „Twist“ geben: Über Zeitschriften, Bücher, Wein und einen frischen Blumenstrauß hat Anja auch an Dinge gedacht, die das Leben schlicht und ergreifend schöner machen und dem Urlauber das Gefühl von Zuhause vermitteln. Der Stil ist eine Mischung aus modern und Vintage, nie zu viel und nie zu wenig Deko. Im Haus wurde alles hochwertig renoviert, insbesondere die Dielenböden bringen einen Barfußgänger aus Überzeugung zum Strahlen und die Holzelemente strahlen dabei selbst eine Ruhe aus, die entspannend wirkt.
Bis zu dieser Ausstrahlung hat die Villa einen
weiten Weg gehabt, der fast ein dramatisches Ende der Ära um die Ziegelei genommen hätte. Die ursprüngliche Ziegelei wurde bis zum Anfang der 50er Jahre betrieben. 1958 wurde die Villa von der „gemeinnützigen Gesellschaft für Jugendfreizeit“
übernommen und das Gebäude zu einen Ferienheim für Jugendliche gewandelt. Ende der 60er
Jahre wurde die Infrastruktur nach Holnis massiv ausgebaut. Das nicht ohne Grund: In Planung war ein Projekt, das den Namen „Marina Holnis“ trug. Marina stand für ein riesiges Vorhaben, das Holnis und insbesondere die Umgebung um die Ziegeleivilla für immer nachhaltig verändert hätte. Die Chronik über Holnis verrät, dass dort ein Hotel- und Appartmentkomplex, sowie ein Yachthafen für 500 Segel- und Motoryachten, eine Tankstelle, eine Mole für Personen und Autofähren, Bootshallen und ein Werftgebäude in Planung waren.
Wie das Schicksal es für Holnis so wollte, kam es nie zur Umsetzung und die „Marina Baugesellschaft“ stand vor dem finanziellen Ruin. Die genauen Gründe für das Scheitern sind heute schwer nachvollziehbar. Eine Theorie nimmt an, dass der Investor pleite ging, bevor das Vorhaben umgesetzt werdenkonnte. Andere Stimmen sagen, dass das Gebiet unter Naturschutz gestellt worden ist und der Investor damit vor dem Aus stand. Fakt ist: Die Ziegeleivilla wurde anschließend dem Zerfall überlassen und befand sich jahrelang in einem erbärmlichen Zustand. Zudem rankt sich noch heute die eine oder andere Geschichte um die Geistervilla. „Man sagt, dass Jugendliche in dieser Zeit die Villa nutzten, um sich dort für Lagerfeuer zu treffen“, meint Anja.
Heutzutage strahlt die Fassade in einem frischen weiß und abgesetzten Kupferelementen mit der Sonne um die Wette. Erst als die Villa 1994 gekauft und teilweise saniert und umgebaut wurde, begann die neue Ära der Villa. „Wir hätten das Haus aber auch in einem maroden Zustand gekauft und es vollständig saniert“ erzählt Peter, dessen Affinität für Häuser, Handwerk und Holnis schnell spürbar wird.
Das Reetdachhaus am Meer ist schon lange vergessen. Das Wochenende mit Anja und Peter wird noch lange nachwirken: nicht zuletzt wegen der Geschichte, sondern auch wegen der vielen kleinen Geschichten am Rande und der Erfahrung, in der eigenen Stadt Urlaub gemacht zu haben. GL